Die Entstehung des Neuen Testaments

Die 27 Schriften des NT wurden zwischen 30 und ca. 95 n.Chr. in griechischer Sprache verfasst. Heute sind rund 5'400 griechische Handschriften des NT bekannt. Dies ist eine überwältigende Zahl! Bei den griechischen und lateinischen Klassikern (Plato, Cicero, und Cäsar etc.), muss man nämlich froh sein, wenn man für ein bestimmtes Werk etwa ein Dutzend Manuskripte hat.

Zu diesen ca. 5'400 Handschriften des NT kommt jedoch noch die beachtliche Zahl von etwa 9'000 Manuskripten der alten Übersetzungen (z.B. ins Lateinische, Syrische, Koptische, Armenische, Georgische etc.) hinzu. - Schliesslich sollten auch noch die Zehntausende von Bibelzitaten in den Schriften der sogenannten Apostolischen Väter und Kirchenväter erwähnt werden.


Papyrus Nummer 52
ist der wohl älteste Beleg zum NT.
Alexander Schick
© www.bibelausstellung.de

Die ältesten Handschriften reichen für grosse Teile des Neuen Testaments bis auf einige Jahre an die Originalschriften heran. Geradezu spektakulär ist in diesem Zusammenhang z.B. die Papyrus-Handschrift "P52", die erstmals 1935 publiziert worden war. Dieses kleine Fragment umfasst Teile von Johannes 18, 31-33.37 und 38. Man datiert es auf ca. 100 - 125 n. Chr. Damit rückt dieser Textzeuge ganz dicht an die wahrscheinliche Entstehungszeit des Johannes-Evangeliums um 90 - 95 n. Chr. heran. Diese Handschrift liefert eine entscheidende Bestätigung für die grossartige Qualität unseres bisherigen Bibeltextes.

Ferner möchte ich noch auf die Papyrus-Handschrift "P46" hinweisen. Gemäss der 1988 gründlich ausgeführten Datierungsarbeit des koreanischen Gelehrten Young Kyu Kim stammt dieses Manuskript, das fast alle Paulusbriefe enthält, aus der Zeit zwischen 75 - 100 n. Chr. Aufgrund einer oberflächlichen Untersuchung wurde dieser Text bisher auf ca. 200 n.Chr. angesetzt. Die Ergebnisse von Kim sind von gewissen Gelehrten angezweifelt worden. Dies ist verständlich: Diese Datierung zerstört eine ganze Reihe von bibelkritischen Thesen. Es ist bis heute aber niemandem gelungen, diese Datierung zu widerlegen. Es liegt nach wie vor nicht einmal ein gründlich durchgeführter Versuch einer Widerlegung vor. Wer sich mit dieser Bibelhandschrift näher befasst und sie mit den späteren Handschriften vergleicht, sieht, dass das NT im Lauf der Zeit nicht verfälscht worden ist. Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass wir Menschen des 21. Jahrhunderts das gleiche NT besitzen, wie die Christen im 1. Jahrhundert!

Der zeitliche Abstand zwischen dem Originaltext und den ältesten Handschriften beträgt bei den griechischen und lateinischen Klassikern im Normalfall etwa 750 - 1'600 Jahre. Wenn solche Texte dennoch als vertrauenswürdig betrachtet werden, wieviel mehr gilt das für das NT!

Alle oben genannten Textquellen werden im "Westdeutschen Institut für Textforschung des Neuen Testaments" wissenschaftlich untersucht und miteinander verglichen. Diese Forschungsstätte ist der Universität Münster angeschlossen. Mit detektivischer Akribie versucht man dort Abschreibfehler aufzudecken, damit der ursprüngliche Text jedem interessierten Leser in Form moderner Grundtextausgaben zugänglich gemacht werden kann. Der Leser kann damit rechnen, dass der ursprüngliche Wortlaut des NT entweder im Textteil oder zumindest im Fussnotenapparat dieser Bibelausgaben zu finden ist.

Fast alle neutestamentlichen Schriften wurden also noch im 1. Jahrhundert n. Chr. verfasst. Damals wie auch später gab es daneben eine Vielzahl von Schriften, die im Titel vorgaben, Evangelien, Apostelgeschichten oder Jüngerbriefe zu sein, aber die Botschaft von Jesus Christus oder die Lehre der Apostel aus eigener Sicht wiedergaben. Deshalb musste die frühe Kirche eine Entscheidung fällen, welche Schriften als verbindlich galten. Dabei gab es, durch örtliche oder personelle Gegebenheiten bestimmt, Unterschiede in der Auswahl. Am Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. stand jedoch das Neue Testament im Wesentlichen in seinem heutigen Umfang fest. Die Auseinandersetzungen der Folgezeit führten im 4. Jahrhundert zur endgültigen Festlegung eines "Kanons" (d. h. wörtlich "Richtschnur") von 27 Schriften, der seitdem in allen grossen Kirchen Geltung hat. mehr dazu unter "die Bcher"

Wir kommen nun zu folgendem Fazit: Die Überlieferung des Neuen Testamentes ist ein Phänomen, das unter der klassischen Literatur ohne Parallele dasteht. Wir haben heute noch denselben neutestamentlichen Bibeltext wie zur Zeit als er abgefasst worden ist.