Der Koran - Widerspruch & Bestätigung zugleich?

Im 2. Teil wird nun ein Auge auf die Aussagen des Korans über die Bibel geworfen.


Kaaba in Mekka

Die Bibel wird im Koran oft als "die Schrift" oder als "das Buch" bezeichnet; aber auch die Begriffe Thora (=altes Testament) und Evangelium (Mathhäus, Markus, Lukas, Johannes) werden verwendet.

Hier nun einige Beispiele um zu zeigen, dass der Koran wiederholt behauptet, die "Schrift" bzw. das "Buch" der Christen und Juden - insbesondere Thora und Evangelium – sei eine Offenbarung von demselben Gott, der auch der "Allah" des Korans ist.

"O Gläubige, glaubt an Allah und seinen Gesandten und an das Buch, das er seinem Gesandten und an die Schrift, welche er schon früher offenbart hat." Sure 4,136

"Wir haben die Thora offenbart, die Leitung und Licht enthält […]." Sure 5,44

"Wir haben Jesus, den Sohn der Maria, den Fussstapfen der Propheten folgen lassen, bestätigend die Thora, welche in ihren Händen war, und gaben ihm das Evangelium, das Leitung und Licht und Bestätigung der Thora enthält, welche zuvor in ihren Händen war […] die Besitzer des Evangeliums sollen nun nach den Offenbarungen Allahs darin urteilen." Sure 5, 46-47

"Wir haben nunmehr dir das Buch in Wahrheit offenbart, die früheren Schriften in ihren Händen bestätigend, […]." Sure 5,48

"Oh ihr Schriftbesitzer, ihr gründet euch auf nichts, bis ihr die Thora und das Evangelium beachtet und was euch sonst von eurem Herrn offenbart ist." Sure 5,68

"Der Koran […] bestätigt das, was vor ihm offenbart wurde […]" Sure 10,37

"Bist du im Zweifel über etwas, was wir dir jetzt offenbart haben, so frage nur die, welche die Schrift vor dir gelesen haben." Sure 10,94

"Wir glauben an das, was uns, und an das, was euch offenbart worden ist. Allah, unser Gott und euer Gott, ist nur einer, und wir sind ihm ganz ergeben. Wir haben dir nun die Schrift offenbart; auch die, welchen wir ehedem die Schrift gegeben haben, glauben daran." Sure 29,46
Was sonst sollen diese Koranstellen bedeuten, als dass Mohammed behauptet, eine Offenbarung zu bringen, die das bestätigt, was vor ihm bereits offenbart worden ist? Anders gesagt: Der Koran sagt in der Bedeutung dasselbe aus wie bereits die Bibel vor ihr (=Bestätigung) und widerspricht ihr in keinster Weise.

Danach müsste zur Zeit Mohammeds zwischen der Bibel und dem Koran völlige Übereinstimmung bestanden haben. Man betone, dass diese Übereinstimmung dem Koran zufolge zur Zeit Mohammeds bestanden haben müsste, weil der Koran im Präsens von der Gültigkeit des Evangeliums und der Thora spricht: In Sure 4,136 (Zitat oben) werden die Moslems nämlich sogar aufgefordert, an "die Schrift" zu glauben, welche Allah schon früher offenbart habe.

Mit anderen Worten: Die Behauptung einer Bestätigung früherer Schriften geht so weit, dass der Koran die Muslime quasi dazu auffordert, seine Richtigkeit anhand der früheren Schriften zu prüfen. Auch andere derartige Aufforderungen sind im Präsens, so die Aufforderung an die Moslems, die Besitzer der früheren Offenbarungen zu fragen (Sure 10,94 (Zitat oben); Sure 21,7) bzw. die Aufforderung an die Christen, sich an das Evangelium zu halten (Sure 5,47; Sure 5,68 (beide Zitate oben)).

Diese Koranstellen wären nicht nachvollziehbar, wenn die Bibel zur Zeit Mohammeds nicht denselben Inhalt wie der Koran gehabt hätte.
Entsprechend deutet der Koran auch mit keinem Wort an, dass die Bibel verfälscht worden sei. Stattdessen kritisiert er, dass "die Schrift" (also die Bibel) verdreht und missverstanden werde:
"Ihr Schriftbesitzer, bemäntelt nicht Wahrheit mit Unwahrheit, um die Wahrheit zu verbergen, da ihr es besser wisst."  (Sure 3,71)

"Viele von ihnen lesen ihre Verfälschungen so aus der Schrift vor, dass ihr glauben sollt, es sei so in der Schrift enthalten. So steht es aber nicht darin." (Sure 3,78)

Gerade Sure 3,78 sagt deutlich, dass die (angeblichen) Verfälschungen der Christen nicht in der Bibel enthalten seien. Es wird hier keine Veränderung des Textes behauptet, sondern ein Missverstehen desselben.

Man entnimmt also dem Koran, dass er zweifellos die Bibel bestätigt und mit ihr übereinstimmt – was aber in Tat und Wahrheit in den Kernaussagen der beiden "heiligen Schriften" nicht stimmt (mehr zu diesen widersprüchlichen Kernaussagen in Differenzen Bibel und Koran).

Wir folgern daraus...

..zwei mögliche Gründe, wieso der Koran behauptet, die früher offenbarten Schriften zu bestätigen

Möglichkeit 1: Bibel und Koran stammen nicht von derselben Quelle, d.h. eines der beiden oder beide sind menschlichen bzw. spiritistischen Ursprungs.

Möglichkeit 2: Entweder die Bibel oder der Koran oder beide haben ihren ursprünglichen Inhalt durch spätere Änderungen verloren.


Zu Möglichkeit 1:
Wäre die Bibel menschlichen Ursprungs, wäre es der Koran auch, da er inhaltlich von der Bibel abhängig ist und sich immer wieder auf diese beruft. Dass nur der Koran von Gott stammt, die Bibel aber nicht, ist daher aus Gründen der Logik nicht möglich (siehe Bibel und Koran).

Gut möglich ist aus der Sicht der Logik aber, dass die Bibel von Gott stammt, der Koran aber nur das spätere Werk eines falschen Propheten ist: Es gibt hunderte von Menschen, die behauptet haben und behaupten, Propheten Gottes zu sein und viele von ihnen haben angebliche Offenbarungen Gottes aufgeschrieben. Einer dieser angeblichen Propheten ist zum Beispiel Joseph Smith, auf den die Schriften der Mormonen zurückgehen. Was also ist der Grund, dass die Behauptungen des Koran nicht zum Inhalt der Bibel passen?

Zu Möglichkeit 2:
Zur Erklärung der oben zitierten Aussagen des Korans behaupten Moslems in der Regel, dass die Bibel verfälscht worden sei - z.B. Zitat der Ahmadiyya Muslim Gemeinde Deutschland: "Wir haben gesehen, dass das Alte Testament in Form und Inhalt Einschiebungen und Veränderungen erfahren hat und dass man es daher nicht mehr als Anleitung verwenden kann."

Dazu ist zunächst festzustellen, dass wie bereits erwähnt der Koran dies nirgendwo auch nur andeutet. Im Koran ist nur davon die Rede, dass die Schrift verdreht und missverstanden werde. Ganz im Gegenteil beruft sich der Koran sogar ausdrücklich auf die vorher offenbarte "Schrift" und fordert die Moslems auf, diese zur Prüfung der Richtigkeit des Korans heranzuziehen, vgl. oben Sure 4,136. Die Schriftbesitzer werden aufgefordert, sich auf das Evangelium zu gründen, Sure 5,68. Derartige Aufforderungen im Koran wären sinnlos, wenn die Bibel zur Zeit Mohammeds verfälscht worden wäre. Die Christen müssten also nach der Zeit Mohammeds (570 - 632 n.Chr.) versucht haben, alle Ähnlichkeiten zwischen Bibel und Koran zu vertuschen, wobei auch ein Motiv und die Möglichkeit dafür gefunden werden müsste.
Geschichtsforschung und Archäologie belegen jedoch, dass die Bibel seit ihrer Niederschrift nicht verändert worden ist (siehe Die Einzigartigkeit ihrer Überlieferung). Man kannt heute zum Beispiel viele Manuskripte des Neuen Testaments, die viele Jahrhunderte älter als der Islam sind. Einige davon haben seit 1800 Jahren unverändert im Erdboden versteckt gelegen und sind trotzdem mit den Bibeln identisch, die man überall erhalten kann. Eine Veränderung kann also nach der Zeit Mohammeds nicht stattgefunden haben.

An dieser Stelle würde sich auch die Frage stellen, wie es denn möglich sein soll, ein Buch, welches überall verbreitet ist, nachträglich zu verändern. Wie soll denn so etwas konkret ablaufen? Wie sollte man von Spanien bis Indien von einer christlichen Gemeinde zur nächsten laufen und in allen handschriftlich aufgezeichneten Bibeln tausende von Stellen gleichlautend verändern? Selbst wenn irgendjemand - egal wie mächtig - dies gewollt hätte, wäre es schlicht unmöglich gewesen. Wer das bestreitet, mag versuchen, einen Text von Thomas Mann oder das Buch eines anderen Autors nachträglich zu verändern. Er wird dabei rasch feststellen:

Was einmal überall in der Welt im Umlauf ist, kann schon deshalb nicht mehr verändert werden, weil kein Zugriff auf alle Exemplare des Textes besteht.

Eine Veränderung der Bibel nach der Zeit Mohammeds ist also archäologisch widerlegt und auch logistisch unmöglich.

Interessant ist übrigens, dass die islamische Behauptung, die Bibel sei nachträglich verändert worden, sogar dem Koran widerspricht. Der Koran stellt nämlich fest, dass das Evangelium von "Allah" stamme und - an anderer Stelle - dass etwas, das von "Allah" stamme, nicht verfälscht werden könne (Sure 6,34; Sure 10,64).

Auf der Seite des Korans bleiben somit viele Fragen offen...